Liebe Eigensinnige,
ab Montag, 16.3.2020, haben auch wir unsere Pforten vorerst geschlossen. Dennoch sind wir für Sie da: Gerne beraten wir Sie weiterhin gerne telefonisch (+43-1-8906637) oder per Mail. Sie können auch weiterhin über unseren Online-Shop bestellen.
Als wir letztes Jahr im Herbst am Programm für das Frühjahr 2020 gearbeitet haben und wir uns dabei von der Chaostheorie inspirieren ließen, dachten wir natürlich nicht an die aktuelle Situation. Dass „der Flügelschlag eines Schmetterlings am anderen Ende der Welt einen Tornado auslösen kann,“ hat uns der Corona-Virus nun demonstriert. Dennoch wollen wir positive Worte finden für die Situation, in die wir alle so urplötzlich hineingeworfen wurden.
Die Themen, mit denen wir uns in den letzten Monaten auseinandergesetzt haben, lassen sich gut auf die aktuelle Lage umlegen: Entschleunigung, Resonanz, das Zwischen.
WIR BEFINDEN UNS IN EINER ART ZWISCHEN-ZEIT
Das alltägliche Leben ändert sich radikal. Die wirtschaftliche Situation ändert sich. Bisherige Strukturen werden aufgebrochen – aber das birgt auch Chancen. Wir können damit anfangen, unsere Zukunft neu zu denken, in dieser Zeit des Abstands. „Indem er sich öffnet, lässt der Abstand eine anderes Mögliches entstehen. Er erlaubt es uns, Ressourcen zu entdecken, die wir bislang nicht in Betracht gezogen, ja nicht einmal vermutet haben,“ schreibt der französische Philosoph Francois Jullien. Nur wo Bestehendes in Frage gestellt wird, kann Neues entstehen. Nur wenn man noch unbegangene Wege geht, kommt man an neue Orte. Es ist ein „aktives, erfinderisches“ Zwischen, in das wir nun eintreten.
Eine lange Aufzählung von Ereignissen ergibt keine spannende Erzählung.
BYUNG-CHUL HANWIR DÜRFEN ENTSCHLEUNIGEN
Für viele Menschen wird nun alles etwas langsamer. Home-Office, Zeit zu Hause. Wir fahren unsere Systeme runter; die „vita activa“ wird zugunsten der „vita contemplativa“ minimiert. Der rasende Stillstand reduziert sich. „Eine lange Aufzählung von Ereignissen ergibt keine spannende Erzählung,“ schreibt der Philosoph Byung-Chul Han. „Der Zeit fehlt heute das feste Gefüge. Sie ist kein Haus, sondern ein unbeständiger Fluss. Sie zerfällt zu bloßer Abfolge punktueller Gegenwart. Sie stürzt fort. Nichts gibt ihr einen Halt.“ so Han weiter. Die flüssige Zeit, in der es keinen Halt gibt, wird plötzlich zähflüssig; sie verfestigt sich nun. Wir haben die Möglichkeit, sie bewohnbarer zu machen, darin zu verweilen.
Der Zeit fehlt heute das feste Gefüge. Sie ist kein Haus, sondern ein unbeständiger Fluss. Sie zerfällt zu bloßer Abfolge punktueller Gegenwart. Sie stürzt fort. Nichts gibt ihr einen Halt.
BYUNG CHUL-HAN
WIR KÖNNEN RESONANZERFAHRUNGEN MACHEN
Um festzustellen, was einen bewegt und berührt, braucht es Muße. Wenn mehr Zeit da ist, kann auch tiefer nach dem gegraben werden, was Resonanz in uns erzeugt. Das können Bücher sein, Kunstwerke, eine Melodie. Vielleicht wird der Bewegungsradius kleiner, aber wir können diese externen Einschränkungen zur inneren Expansion nutzen. Kreativität ist dann am stärksten, wenn sie einen Rahmen hat.
Wir wissen nicht, wann wir Sie wieder bei uns begrüßen können. Aber wir halten Sie auf dem Laufenden. Bleiben Sie eigensinnig!
Stefanie Hofer & Toni Woldrich
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